Kinder der 80er :    Info    Langzeitstudie    Interviews    Momentaufnahmen
1999 bis 2002 Webring und Webguide für die WebdesignerInnen einer Generation

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Die Geschichte von «Kinder der 80er», man könnte auch sagen:
Mein Weg zum Webdesign - und zurück

Am Anfang stand der Wunsch eine Website ins Netz zu stellen. Ich hatte bereits eine vage Vorstellung davon, aus welchen gestalterischen Elementen sie bestehen könnte, mir über mögliche Inhalte jedoch noch keine Gedanken gemacht Mehr Zeit als die Inhalte zu beschaffen, beantspruchte es zunächst, HTML zu lernen und verschiedene "Designs" auszuprobieren.

Nach einem halben Jahr war ich soweit, dass ich mit dem Layout meiner Seite zufrieden sein konnte. Zwar nahm ich auch später noch Veränderungen an der Gestaltung vor und vertiefte meine HTML-Kenntnisse, zunehmend beschäftigte ich mich aber auch mit den Inhalten meiner Netzseite. Webdesign war nicht mehr Selbstzweck, sondern ein Weg Inhalte zu präsentieren. Dies schlug sich auch in meiner Vorstellung von gutem Webdesign nieder. Meine Websites wurden übersichtlicher und schlichter.

Im Herbst 1999 hörte ich zum ersten Mal von den immer beliebter werdenden Webringen. Ein Webring ist ein Zusammenschluss mehrerer, meist thematisch ähnlicher Webseiten. Jedes Mitglied baut auf seiner Seite ein Ringlogo ein, welches es ermöglicht innerhalb des Webrings zu navigieren und sich so von Seite zu Seite zu hangeln.

Beim englischsprachigen "webring.org" gab es einige Webringe, die speziell für Jugendliche gedacht waren, im deutschsprachigen Bereich war mir jedoch nichts Vergleichbares bekannt. So gründete ich über "webring.de" selbst einen Ring und nannte ihn «Kinder der 80er». Mitmachen durfte jeder, der in den 80er Jahren geboren war und eine deutschsprachige Website hatte.
Es gab zu diesem Zeitpunkt bereits viele private Webseiten von Jugenlichen, aber noch war es nicht alltäglich eine Homepage zu haben. In meinem Bekanntenkreis gab es wenige, die sich mit Webdesign beschäftigten.

«Kinder der 80er» etablierte sich rasch. Im Jahr 2001 gab es bereits viel mehr Seiten, die den grundlegenden «Kinder der 80er»-Kriterien entsprachen, als zur Gründung des Webrings. Bisher hatte ich einfach alle Seiten ohne große Qualitätskontrolle aufgenommen, sofern die Webmaster in der Lage waren, das Ringlogo einzubinden. Dadurch kamen auch viele "schlechte" Seiten in den Webring, die diejenigen die eine "gute" Webseite hatten, abschreckten. Die ursprüngliche Zweck von «Kinder der 80er» war es gewesen eine möglichst große Zahl von Seiten zu versammeln, jetzt gab es aber so viele Seiten, dass diese Zielsetzung wenig Sinn machte.

Ein Webring kann nur dann funktionieren, wenn alle Teilnehmer das webringlogo eingebaut haben. Bei «Kinder der 80er» war dies nicht der Fall. Immer wieder entfernten Leute das Logo von ihrer Seite, ohne sich abzumelden Ich suchte nach einer Möglichkeit «Kinder der 80er» neu zu organisierem. Als Linkliste oder Webring? Topsitelist oder Community? Oder eine Mischung aus allem.

Notiz Februar 2001:
«Es wird immer schlimmer: inzwischen melden sich zwar schön regelmäßig neue Sites an, aber ich muss gut 80% ablehnen. Heute war eine Seite mit Tier- und Menschenquälprogrammen dabei..»

Ich merkte, dass ich mich mit technischen Verbesserungen auf der falschen Fährte befand. Die Technik zu verbessern, dabei aber den Inhalt zu belassen, hätte nichts verbessert.

Zwei Monate später wurde «Kinder der 80er» zu einem Webguide: Ich versah die Links mit Screenshots und einer kurzen Beschreibung und ordnete sie nach Jahrgängen. Dabei übernahm ich nur einige wenige Teilnehmer des alten Webrings und beschloss künftig nur noch sehr gute Seiten aufzunehmen.

Der neue Webguide war ein voller Erfolg. Zeitweise erhielt ich pro Tag fünf Anmeldungen, etwa die Hälfte der Seiten nahm ich auf. Je mehr gute Seiten im Webguide waren, desto mehr gute Seiten meldeten sich an. Viele der Anmeldungen die mich beim Webring so geärgert hatten, kamen jetzt gar nicht mehr.

Trotzdem begann «Kinder der 80er» seinen wirklichen Reiz für mich zu verlieren:

Über die Schwierigkeit einen Webguide zu warten (und was danach kommt)

Auch wenn der Webguide insgesamt eine höhere Qualität hatte, als vorher der Webring, blieb die Grundproblemtik doch ganz ähnlich. Bei beiden Organisationsformen ist eine zentralen Instanz notwendig, die über die Aufnahme neuer Mitglieder entscheidet - sonst hat man eine Free-for-all-Linkliste. Da es, wenn man mehr als eine zusammenhanglose Kollektion beliebiger Websites präsentieren möchte, nicht sinnvoll ist, einfach alle Bewerber aufzunehmen, müssen grundlegende Kriterien aufgestellt werden. Bei «Kinder der 80er» war es naheliegend, dass der Webmaster der Seite in den 80er Jahren geboren sein muss. Außerdem sollte die Website durch eine überzeugende Gesamtkonzeption hervorstechen.

Was unter einer «überzeugenden Gesamtkonzeption» nun aber zu verstehen ist, ist Auslegungssache. Manche Seiten sind sehr ästhetisch gestaltet, haben aber nur banale Inhalte, andere bieten viele  Informationen, die jedoch grafisch wenig ansprechend aufgearbeitet sind. Ob eine Website, wie auch immer sie gestaltet ist, den Besucher anspricht, hängt in hohem Maße von dessen Erwartungen und Persönlichkeit ab. «Objektive» Kriterien wie technische Korrektheit machen nur einen Teil des Gesamtbildes aus, im Ganzen ist dessen Wahrnehmung vom Geschmack des Einzelnen abhängig und somit hoch subjektiv.

Ein Webguide versucht aus der großen Anzahl an Netzseiten eine Auswahl zu treffen um sie zu sortierten und zu katalogisieren.
Entspricht eine solche kontrollierte Linksammlung dem Wesen des «World Wide Web»?
Es scheint mir, dass es vielen Webmastern wichtiger ist, ihre Seite in einem Webguide verzeichnet zu sehen, als dessen Möglichkeiten zur Entdeckung anderer Webseiten zu nutzen.
Ein entscheidendes Problem, das jeder haben wird, der einen Webguide aufgebaut hat, ist die kurze Halbwertzeit von Internetseiten. In kurzen Abständen werden Seiten aus dem Netz genommen oder völlig umgestaltet. Ein Webguide bedarf also ständiger Pflege, kann kaum immer ganz aktuell sein.

Ich denke, dass der wahre Reiz des Internetsurfens nicht darin besteht, die in einem Webguide verzeichneten Seiten abzuklappern. Wie funktioniert das Internet ohne Kataloge? Man stößt auf einer Seite auf einen Hyperlink, folgt diesem zu einer anderen Seite, auf der sich wiederum Links finden. Dabei gibt es Querverbindungen, einseitige und gegenseitige Verknüpfungen.
Wenn man eine besonders interessante Seite entdeckt hat, verschickt man vielleicht eine Mail an seine Freunde um sie darauf aufmerksam zu machen...
Für mich sind es diese unverhofften Entdeckungen, die das Internet zu einem lebendigen Raum werden lassen.

Welchen Platz nimmt «Kinder der 80er» ein?
Mit der Langzeitsstudie, die seit 2000 die Wege von fünf jungen Webmastern verfolgt und den Momentaufnahmen, die Screenshots von 80er-Websites archivieren, hoffen wir, langfristig Entwicklungen nachzeichnen zu können.

Das Internet wandelt sich.  Websites wandeln sich. 
«Kinder der 80er» ist ein gutes Beispiel dafür.

Freya Gnam, im August 2002

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